Post-Shiny-Ära
Es gibt ein Phänomen, dass mir gerade in ganz vielen Lebensbereichen begegnet, über das ich heute schreiben möchte. Ich nenne es die Post-Shiny-Ära und scheine nicht der einzige zu sein, der das so beobachtet.
Die Beobachtung ist, dass Firmen und Privatpersonen gleichermaßen dazu neigen, eine schöne Hülle zu kreieren ohne sich um das Innenleben zu kümmern. Man versucht Dinge optisch und kommunikativ hübsch zu präsentieren statt sich um echte Werte zu kümmern. Oft werden auch Werte kommuniziert - ohne sie jedoch zu leben. Überspitzt gesagt: Wenn Verbraucher ökologischere Produkte fordern, so wird das Firmengebäude grün angemalt, die Verpackung umgestaltet und "öko" kommuniziert - aber eine wirkliche Änderung findet nicht statt. Und das funktioniert auch - noch.
Ich könnte viele Beispiele dafür ins Feld führen, hier nur ein paar:
- Optisch sehr ansprechenden Webseiten mit tollen Animationseffekten - aber eben ohne echte Inhalte oder gar Funktion.
- Hochpreisige (Marken-)Produkte, bei denen mehr Geld für Verpackungsdesign und Werbemaßnahmen ausgegeben wird, als für das Produkt selbst.
- Beeindruckende Hochglanzmagazine oder Fernsehsehndungen mit schlecht recherchierten Inhalten, die sich kaum noch als journalistische Arbeit bezeichnen lassen.
- Firmen aller Branchen, die Ihre Produkt- und Wertekommunikation verbessern aber die Produkte, Produktions- und Arbeitsbedinungen nicht.
- Und schließlich mehr Siegel und Auszeichnungen denn je, von denen jeder Hersteller schnell ein eigenes erfindet statt sich an solche mit echten Werten und Bedingungen zu binden.
- Das toll angerichtete Essen im Restaurant, dass zwar das Auge erfreut, den Gaumen jedoch nicht.
Ja es gibt sie: Kleine Pioniere, die das anders machen. Doch noch sind sie leider in der Minderzahl. Aber ich glaube, dass wird nicht mehr lange so bleiben.
Denn wir Menschen haben alle tief in uns ein Gespür für Wahrheit und Wahrhaftigkeit, für echte Kommunikation. Nicht nur bei Social-Media sehen wir, dass es heute mehr denn je um echte und offene Kommuniaktion geht. Bekommen wir diese nicht, spüren wir, dass etwas schief läuft. Wir können es oft nicht benennen, aber wir verlieren das Vertrauen in unsere Kommunikationspartner. Und diese Intuition scheint mit bei vielen Menschen gerade zu wachsen. Sei es durch mehr "Aufklärung", durch zu viele Fakes in der Vergangenheit oder durch etwas Anderes sei mal dahingestellt.
Noch sehe ich große Unternehmen, weitere Fake-Kommunikation betreiben oder gar ausbauen. Ich denke da nur an eine große Bäckereikette die einen Alibibäcker vor Ort - für die Kunden gut sichtbar - die letzten Handgriffe an vorgefertigten Teiglingen durchführen lässt, das als "Gebacken wird hier" bewirbt und für den rustikalen Touch wieder schöne Holzregale eingerichtet hat. Ganz im Ernst: Ich bekomme deren Gebäck kaum noch geschluckt, so schlecht und künstlich schmeckt das...
Was wird passieren? Meiner Meinung nach beginnt der Wandel langsam einzusetzen. Wir schauen nicht mehr auf die tolle Optik, die Verpackung und die gute Kommunikation. Sondern wir fangen an, auf echte Werte zu setzen, die uns authentisch und persönlich vermittelt werden. Das heißt nicht, dass es nicht mehr "shiny" sein darf - aber eben nicht mehr nur. Kein Grafiker und kein Kommuniaktionsleiter wird sich um seinen Posten Gedanken machen müssen. Aber er wird und soll neue Kollegen in der Produktentwicklung bekommen, die echte Werte in tolle Produkte umsetzen. Das schließt Billigware, die als solche auch offen verkauft wird nicht aus. Nur eben Billigware, die als qualitativ tolles Produkt verkauft wird - das wird immer schwieriger werden.
Wer jetzt als Firma noch weiter der schönen Scheinwelt hinterherläuft und sich auf Schein statt Sein verlässt, wird sich in Zukunft nicht mehr lange über Wasser halten. Und das ist auch gut so. Und für Privatpersonen, die immer ähnliches mit Ihrer Person machen, gilt genau das Gleich.
Wie seht ihr das? Glaubt ihr auch an die Post-Shiny-Ära?
Illustration: voodoo4u2n
Geschrieben von Jan Theofel am 27.04.2012 um 18:34 Uhr (Permalink)
Abgelegt unter Gedanken
Oh ja, bitte. Schluss mit dem Schein.
1 | Frank | 27.04.2012 um 20:01