Zum FoodBloggerCamp hat Mella mir ein paar Fragen geschickt, um einen Artikel in ihrem Hochschulmagazin zu veröffentlichen. Da ich diese sehr ausführlich beantwortet habe, wäre es schade, die Antworten nicht auch vollständig zu veröffentlichen.
Hier also ein paar Gedanken über Barcamps im Allgemeinen und das FoodBloggerCamp im besondern. Wer dabei Lust bekommt, als FoodBlogger das nächste Mal dabei zu sein, sollte sich gleich an unserer Umfrage beteiligen.
1) Was sind die „beliebtesten“ Orte und verrücktesten Locations für Barcamps?
Das ist ganz verschieden. Viele langjährige Barcamps haben traditionelle und liebgewonnene Locations, beispielsweise Essen mit dem Unperfekthaus, Stuttgart bisher mit dem Literaturhaus oder Hamburg bei Otto. Das ungewöhnlichste was ich weiß ist das AlmCamp, dass auf einer AlmHütte stattfand.
2) Was sind die Vor- & Nachteile an einer „Barcamp“-Veranstaltung im Vergleich zu einem
„statisch“ organisierten Kongress?
Besucher klassischer Kongresse sagen oft, dass das fruchtbarste der Austausch mit den anderen Teilnehmern in der Kaffeepause ist. Beim Barcamp wird die Kaffeepause zum Veranstaltungsformat erhoben: Die Teilnehmer tauschen sich untereinander aus. Hier erfährt man Tipps aus der Praxis für die Praxis, Dinge, die im Alltag funktionieren, und auch die eine oder andere Geschichte, die nie jemand auf einer Bühne erklären würde.
Aus der Pädagogik aber auch der Therapie wissen wir schon lange, dass das Einbeziehen der Personen ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg ist. Niemand kann jemandem etwas beibringen, das geschieht schlussendlich immer in dem Lernenden selbst. Kein Wunder, dass der Ruf nach informellem und selbstbestimmten Lernen ist heute allgegenwärtig ist. Auf Barcamps leben wir diesen Ruf schon lange. Jeder lernt von jedem das, was für einen selbst gerade wichtig ist.
Dazu kommt die offene Atmosphäre, in der der Austausch geschieht. Es werden viel mehr Fragen gestellt, viel mehr in Frage gestellt, viel mehr diskutiert. Und schon eine einzige Frage, ein einziger Impuls der nur in solch einer offenen Umgebung möglich ist, kann den Besuch alleine wert gewesen sein.
Aus der Kommunikationforschung wissen wir, dass nur etwa 20% der Kommunikation auf der Sachebene stattfindet. Den Rest blenden wir meistens aus, was mittelfristig zu Problemen führt. Auf Barcamps lernen sich Menschen freundschaftlich, offen und ehrlich kennen. Wir schauen nicht nur auf die 20% sondern auch auf die 80% Beziehungsebene. Nicht weil das einstudiert wäre, sondern einfach ganz automatisch.
Der Nachteil ist, dass man vorher nicht weiß, was für Themen vor Ort besprochen werden. An sich ist das nicht wirklich ein Nachteil. Aber gerade beim ersten Mal braucht es etwas Mut, sich auf so ein Experiment einzulassen. Und es macht es beispielsweise schwerer den Chef zu überzeugen, dass er einem so ein Event bezahlt, oder Sponsoren gegenüber, dass sie ein solches Event unterstützen.
3) Was konnten Teilnehmer des FoodBloggerCamps Neues (im Vergleich zu gängigen Barcamps; Inhalt/Ablauf) entdecken?
Bei normalen Barcamps wird immer zusammen gegessen, was die Kommunikation der Teilnehmer fördert. Hier wurde auch zusammen gekocht. Das ist schon so ein sehr sozialer Aspekt unseres Lebens und in Verbindung mit dem Format Barcamp ein zusätzlicher Booster.
Zusätzlich hatten wir zahlreiche praktische Sessions im handwerklichen Sinn: Brot backen, Einkochen oder Grüne Smoothies zubereiten. Bei den meisten anderen Barcamps gibt es auch praktische Sessions – aber die finden am Computer statt. Hier wurde zusammen fast 600 Kilo Lebensmittel verarbeitet. Das war eine zusätzliche Herausforderung, auch das spontan entstehen zu lassen.
4) Wieso ist für dich der Veranstaltungstyp „Barcamp“ ein geeignetes Mittel, um Wissen auszutauschen?
Wissensvermittlung erfolgt nicht so linear wie wir es oft gerne hätten. Das kennen wir schon aus der Schule: Nur weil dort alle die gleichen Aufgaben machen und die selben Bücher lesen, ist nicht jeder automatisch auf dem gleichen Stand. Auf einem Barcamp wird Wissen frei weitergegeben. Da jeder Teil des Prozesses ist, steuert jeder etwas dazu bei: Wissen, Erfahrungen oder Fragen. Dadurch, dass ich Teil des gemeinsamen Entwickeln und Offenlegens des Wissens bin, bleibt viel mehr „hängen“ als wenn ich ein Buch lese.
Das gilt übrigens auch für Menschen, die Sessions anbieten. Ich sage immer gerne, dass ich von allen Anwesenden in meinen eigenen Sessions am meisten lerne. Denn ich habe – vielleicht – die 90% Wissen, die ich mir anlesen kann. Gebe ich dieses weiter, lasse ich es die andere konfrontieren und ergänzen, so beginne ich die letzten 10% zu lernen. (Wenn so etwas überhaupt vollständig erlernbar ist.) Diese letzten Prozent machen einen wahren Experten aus mir. Und die bekomme ich nur im Austausch mit anderen Menschen. Barcamps sind dabei wegen der offenen Atmosphäre besonders geeignet. Man könnte sagen, sie sind eine Art Katalysator.
5) Welches wichtige Know how braucht man für die Planung/Orga eines „Barcamps“?
Vieles davon ist klassische Event-Planung, beispielsweise das Catering oder die Location. Allerdings müssen dabei ein paar zusätzliche Dinge beachtet werden.
Das wichtigste ist jedoch die innere Einstellung der Organisatoren. Sie müssen das Format lieben und leben bzw. vorleben. Das füllt das Konzept erst richtig mit Leben. Wenn ein Barcamp scheitert, dann glaube ich, ist es fast immer diese Stelle. Ich habe noch nie Personengruppen gesehen, mit denen ich kein erfolgreiches Barcamp durchführen konnte. Jegliche anfängliche Skepsis zum Trotz! Und ich gehe jede Wette ein, dass das auch so bleibt.
Hier meine sechs Grundsätze, die ich für meine Barcamps herausgearbeitet habe. Ich werde diese in den kommenden Tagen noch ausführlicher darstellen.
Grundsatz 1: Alle Teilnehmer sind gleich
Auf einem Barcamp sind alle Teilnehmer gleich. Jeder kann wertvolles Wissen und Sichtweisen einbringen. Damit dies geschehen kann, begegnen sich alle Teilnehmer auf „Augenhöhe“.
Grundsatz 2: Offene Kommunikation
Sämtliche Kommunikation soll freundlich, persönlich, offen und ehrlich erfolgen. Jede Frage, Anmerkung, Ergänzung oder Korrektur ist willkommen solange sie wertschätzend und freundlich eingebracht wird.
Grundsatz 3: Die Teilnehmer bestimmen die Inhalte
Die Ausrichter legen einen Themenrahmen fest. Darin – und manchmal auch darüber hinaus – kommen alle Inhalte kommen von den Teilnehmern. Es ist inhaltlich ihre Veranstaltung.
Grundsatz 4: Der Rahmen bestimmt die Qualität
Der gesetzte Rahmen durch die Organisation nimmt maßgeblich Einfluss auf die Qualität des Barcamps. Dies gilt dabei nicht nur für die organisatorischen Faktoren, sondern auch für die Qualität der Sessions.
Grundsatz 5: Jeder darf teilnehmen
Innerhalb der Zielgruppe darf es für die Teilnahme keine Zugangsbeschränkungen geben. Jeder, der gewillt ist, sich einzubringen, ist als Teilnehmer gern gesehen.
Grundsatz 6: Inhalte sollten über das Barcamp hinaus verbreitet werden
So viel wie möglich von dem, was auf dem Barcamp geschieht, sollte auch für Nichtteilnehmer festgehalten und veröffentlicht werden.
6) Auf welche Schwierigkeiten bist du während der Planung/Umsetzung/Veranstaltung gestoßen?
Das FoodBloggerCamp war eine logistische Herausforderung. Sich als PKW den Weg zwischen Kühllastern zu bahnen, von Hand Paletten in den PKW umzuladen, den Großmarkt leerzukaufen – all das hätte ich mir in den kühnsten Träumen vorher nicht so ausmalen können. Neben den knapp 600 kg Lebensmitteln haben wir noch mal über 400 Kilo Geschenke der Sponsoren in 70 Goodie-Bags verpackt und über 250 Liter Getränke konsumiert. Das ist weit über eine Tonne Material, die wir an dem Wochenend bewegt haben! Als „Kühlschrank“ diente uns eigens ein Kühlanhänger von Eiszeitquell, weil die Kühlschränke in der Location zu klein waren. Hier habe ich selbst sehr viel gelernt.
Eine Herausforderung war auch, den verschiedenen Sponsoren gerecht zu werden. Wir hatten große Brands genau so am Start wie „kleine“ Unternehmen. Jeder hatte andere Ideen und Wünsche, die wir unter einen Hut zu bringen hatten. Dazu kam auch die Zeitplanung: Wer liefert was wann und wo an? Natürlich haben wir uns über sehr kurzfristige Sponsoringzusagen gefreut – aber gerade die noch einzubauen war extrem.
Körperlich war das meine anstregendste Barcamp-Orga. Und das hat man uns glaube ich auch angesehen. Aber es war so toll, dass ich es auf jeden Fall wieder tun werde!
Zu 1) könnte ich noch das Pathcamp ergänzen – findet im kapellenhof st. michael statt. Nicht mit ÖPNV zu erreichen. Kein Mobilfunknetz (ja, alle Netze!) – und das mitten in Deutschland.. ähm, Baden… 😉
Hubert: Da ich da nicht dabei war kenne ich das nicht und kann es folglich auch nicht erwähnen, oder? 😉
Deswegen ergänze ich es ja, die Frage war ja nicht, welche DU kennst ;))
In einer Interviewsituation wie es diese war schon… 😉