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Der neue Nestlé Marktplatz: Social Commerce im Foodbereich

Gestern hatte ich von meinem Gespräch bei Nestlé über den neuen Nestlé Marktplatz berichtet. Seit heute morgen ist das Projekt online, so das sich nun auch inhaltlich etwas schreiben kann.

Im Wesentlichen verbindet der Nestlé Marktplatz drei verschiedene Bereiche: Produktinformation, Kundenkommunikation und Einkaufen. Also eigentlich genau die Dinge, die auch auf einem klassischen Marktplatz passieren – daher auch der Name. Ich möchte hier auf einige Aspekte aus Sicht einer Webmenschen und aus Sicht der damit verbundenen Social-Media-Kommunikation eingehen, da es sich um ein Projekt handelt, welches einen starken Einfluss auf die Unternehmenskommunikation von Nestlé haben wird.

Bereich Einkaufen

Startseite des Nestlé Marktplatz

Ich fange mit dem Einkaufen an. Denn das ist prinzipiell der kleinste Bereich – wenn auch technisch nicht weniger anspruchsvoll. Klein gemessen an den sonstigen Zielen der Seite und am Konzern Nestlé selbst. Denn mit einem avisierten Umsatz von 1-3 Millionen Euro ist im Vergleich zu 3450 Millionen Jahresumsatz (Quelle) wirklich nichts.

Warum bietet es Nestlé dann überhaupt an? Ein wesentliches Element hierbei ist, dass man auch Produkte kaufen kann, die im normalen Supermarkt nicht erhältlich sind. Das gilt insbesondere für spezielle Produkte und Produkte aus dem Ausland. Von den 600 Produkten, die hier gekauft werden können, stammen 100 aus dem Ausland und sind in Deutschland normalerweise nicht zu bekommen. Zum Vergleich: Insgesamt vereint der Konzern 1500 Produkte seiner 72 Marken, die fast alle auf dem Marktplatz gelistet sind aber eben nicht dort gekauft werden können. Insbeosndere Frischeprodukte, werden nicht verschickt. Aber mit den vorhandenen Produkten können sowohl liebgewonnene Produkte aus dem Urlaubbezogen werden, als auch solche, die beispielsweise halal produziert worden sind.

Wie sinnvoll solche internationalen Produkte aus ökologischer Sicht in Deutschland sind, da sie ja mitunter um den halben Erdball transportiert werden müssen, dürfte bei einem Konzern wie Nestlé eher eine untergeordnete Rolle spielen, da dies auch für einen Großteil der sonstigen Produktpalette gelten dürfte. Auch wenn Nestlé nach meinen Informatione viel in Deutschland produziert, dürften viele Produkte oder zumindest Rohstoffe dennoch einen weiten Weg hinter sich haben. Ich nutze persönlich internationale Produkte (allerdings nicht von Nestlé, siehe ganz unten) gerne für meine Rezepte aus anderen Ländern, versuche das aber auf ein Mindestmaß zu beschränken und vieles davon – beispielsweise Hariassa – selbst herzustellen.

Die sonstigen „Kennzahlen“ des Shops: Die Durchschnittliche Lieferzeit soll bei 2 Werktagen liegen; als Zahlungsarten werden Vorauskasse, Paypal, Kreditkarte und Lastschrift angeboten; die Versandkosten betragen 4,90 Euro; der Mindestwarenwert liegt bei 20 Euro und ab 70 Euro ist die Lieferung versandkostenfrei. Gerade über den Wert von 20 Euro Mindestbestellwert haben wir gestern sehr ausführlich diskutiert: Aus Verbrauchersicht hemmt das den Kauf von Kleinigkeiten, die man entdeckt hat (sinngemäß „Wie viel Pasta muss ich kaufen um die 20 Euro aufzufüllen?“) und für Nestlé scheidet dadurch die Möglichkeit aus, Produkte im Shop mal anzutesten, weil dabei die selbe Hemmins besteht und man nicht sagen kann ob wegen des Mindestbestellwerts oder wegen des getesten Produkts nicht gekauft wurde.

Bereich (Produkt)Information

Produktsuche im Nestlé Marktplatz

Wer so viele Produkte wie Nestlé anbietet, sitzt auf einem Schatz an Informationen. Denn die Verbraucher wünschen heute mehr denn je Informationen über das was sie essen – wenn ich die Zahl gerade richtig im Kopf habe – waren es 91% laut einer Studie. Und genau das kann und – aus meiner Sicht – muss man dem Verbraucher heute anbieten. Ein Schatz deshalb, weil schon aufgrund der gesetzlichen Deklarationsvorgaben und den Rezepturen umfangreiche Informationen über die Zusammensetzung der Produkte vorliegen, die man „nur noch“ zusammenführen und veröffentlichen muss.

Im Nestlé Marktplatz finden sich daher zu jedem Produkt die gesetzliche Zutatendeklaration, eine vollständige Nährwerttabelle, Informationen zur Ernährungsweise (vegetarisch, vegan, ohne Schwein, halal) und umfangreiche Allergenhinweise. Bei den Nähwerttabellen habe ich vorgeschlagen, dass man selbst die Portionsgröße angeben kann. Bei Produkten wie den Fitness Fruits wäre dies ein offener Umgang mit Kritik wie der von foodwatch, dass es sich bei 40g Müsli nicht um eine ganze Portion handelt – diese aber bereits 20% der Tagesmenge Zucker (Nestlé) bzw. 30% (foodwatch nach WHO Empfehlung) ist.

Weiterhin hat Tapio Liller angeregt einen Glossar anzulegen und darin alle Zutaten nach und nach aufzunehmen und aus der Zutatenliste heraus zu verlinken. So kann beispielsweise das viel diskutierte Hefeextrakt näher beschrieben werden. Ein schönes Beispiel wie so ein Glossar aussehen kann liefert Alnatura am Beispiel von Hefeextrakt.

Dazu kommen zahlreiche Hintergrundinformationen, beispielsweise wie Rohstoffe gewonnen werden. Letzteres offen zu kommunizieren ist gerade auch wegen Kritik wie der Gewinnung von Palmöl durch Greenpeace ein wichtiger Punkt. Hier kann Nestlé zeigen, dass man solche Themen ernst nimmt, Kritik aufnimmt und entsprechend reagiert.

Eine Erwähnung soll auch die Suchfunktion finden: Hier kann nicht nur über Marken und Produkte gesucht werden, sondern auch über Geschmack, Herkunft, Kategorie, für wen es sein soll, Anlass (z.B. Brunch), Allergene, Ernährungsweisen und sogar über die Verpackungsfarbe. Letzteres erscheint wie eine Spielerei, kann aber helfen das namentlich nicht mehr bekannte Produkt, dass man irgendwo gesehen hat, einzugrenzen. Die Trefferliste gefällt nicht nur mir nicht: Die „herumspringenden“ Produkte wenn man mit der Maus darüber fährt verwirren und lassen keine geordnetes durchsehen der Trefferliste zu war unsere gestrige Kritik.

Noch ein spannender Aspekt bei der Information: Nestlé stellt sich hier sehr klar als Konzern mit vielen verschiedenen Marken vor. Vielen dürfte erst jetzt klar werden, welche Marken zu Nestlé gehören. Das ist sowohl spannend für Menschen, die diese Marken mögen – also auch für solche die mir gesagt haben, dass sie aus Prinzip keine Produkte von Nestlé kaufen. (Siehe dazu auch meine persönlichen Anmerkungen am Schluss.)

Zukunftsmusik aus diesem Bereich, die Till Achinger kurz hat anklingen lassen: Auf jedes Produkt könnte ein QR-Code aufgedruckt werden, der die Kunden dann direkt zu den Informationen aus dem Nestlé Marktplatz führt. Hier könnten mehr Informationen angeboten werden als bei den allgemeinen Barcode-Apps, die Möglichkeit geboten werden an der Kommunikation (siehe nächster Abschnitt teilzunehmen) und Konsumenten allgemein auf den Nestlé Marktplatz aufmerksam zu machen.

Bereich Kommunikation

Buitoni Pesto auf dem Nestlé Marktplatz

Besonders spannend finde ich den Bereich der Kommunikation mit dem Kunde: Jedes Produkt kann bewertet und kommentiert werden. Diese werden zwar moderiert, aber zunächst automatisch freigeschaltet.

Dazu gibt es Richtlinien, wie Kommentare geschrieben werden sollen. Dabei wird keinerlei Bezug auf Kritik an Nestlé, den Marken oder den Produkten genommen. Mein Eindruck ist, dass Nestlé sich hier wirklich auch der Kritik von Verbrauchern und Dritten stellen wird. Das passiert seit einer Weile auch schon auf der Facebook-Fanseite, die schon vor dem eigentlichen Marktplatz online war. (Ein zufälliges Beispiel.)

Wie offenen der Dialog geführt wird, muss die Zukunft zeigen. Ich habe hier aber aktuell ein gutes Gefühl. Auch mein Kommentar, dass Buitoni Pesto nun mal kein Pesto ist, steht weiter (noch unbeantwortet) online und sammelt fleißig Zuspruch. Spannend wird es auf jeden Fall, wenn NGOs wie Foodwatch oder Greenpece nicht mehr zu einer Beschwerde bei Nestlé auffordern sondern ihre Unterstützer bitten, dass auf dem Marktplatz zu kommunizieren. Zumindest hat hier der Konzern die Möglichkeit die Diskussion mehr zu lenken als das auf anderen Social-Media-Plattformen der Fall ist, weil man beispielsweise die eigene Darstellung besser hervorheben kann. Ein anderer spannender Punkt dürfte auftreten, wenn Leute beginnen auf der Plattform Verweise auf das gleiche Produkt in anderer Verpackung zu setzen, beispielweise zu sagen, dass es das beim Discounter XY als Produkt ABC im Regal zu kaufen gäbe.

Für Reaktionen, die eine Frage umfassen, hat sich die Unternehmenskommunikation eine Antwortzeit von zwei Stunden gegeben. So lange soll eine Antwort im Durchschnitt dauern. Zum Start sind diese jedoch erst mal nur während der Arbeitszeiten geplant. Ich könnte mir aber vorstellen, dass das zukünftig auch auf abends und Wochenenden ausgedehnt wird – schließlich ist das ja die Zeit, wo Menschen am ehesten mal selbst kochen und vielleicht gerade dann drängende Fragen zu den Produkten haben könnten. Für Krisenfälle gibt es zudem entsprechende Reaktionspläne. Hier haben wir gestern leider vergessen nachzuhaken, wie die genau aussehen.

Wir haben auf jeden Fall noch empfohlen, die Kommentare threaded darzustellen, so dass direkte Antworten ersichtlich sind (Malte Widenkamp). Till Achinger hat noch eine Mindestlänge für Kommentare empfohlen um die Kommentar- und Diskussionsqualität zu erhöhen. Denn was bringen 500 Kommentare „lecker!“ bei einem Produkt? Ich habe noch angeregt auch nach einer E-Mail-Adresse zu fragen, damit man mit dem Autor in Kontakt treten kann und man zusätzlich Benachrichtigungen über neue Kommentare abonnieren kann. Wie bekomme ich sonst mit, wann Buitoni „echtes“ Pesto produziert? Und schließlich noch, dass der Benutzer sich auch selbst präsentieren können sollte (z.B. Link zur eigenen Webseite) um ihm einen zusätzlichen Anreiz zur Kommunikation zu bieten (Björn Ognibeni).

Wie harten Gegenwind Nestlé hier erfährt, sieht man auch an meinem Blogpost von gestern, der sofort mit einem entsprechenden Kommentar bedacht worden ist. Gerade bei der zu erwartenden Menge an – aus meiner persönlichen Sicht – auch oft berechtigten Kritik – finde ich den Schritt mutig sich für eine solche offene Kommunikation zu entscheiden.

Weiterhin haben wir diskutiert, dass Nestlé sich bei der Social-Media-Kommunikation in Zukunft auch nicht nur auf den Marktplatz konzentrieren sollte, sondern auch aktiv andere Kanäle nutzen sollte um auf Reaktionen und Kritik einzugehen – eben genau dort, wo sie entsteht. Das ist nicht nur eine Kommunikation auf Augenhöhe mit dem Verbraucher sondern zugleich auch die Chance auf den Marktplatz aufmerksam zu machen.

Mein persönliches Fazit

Ganz klar und offen: Ich bin kein Fan von Nestlé Produkten. Das hängt nicht nur mit Kritik an der Produktion oder der allgemeinen Unternehmenspolitik zusammen, sondern vor allem an der Qualität der Produkte. Für mich muss ein Lebensmittel so natürlich wie möglich sein, am besten direkt vom regionalen Erzeuger gekauft und so wenig wie möglich verarbeitet. Daher vermeide ich schon lange Produkte von allen Lebensmittelriesen – also auch Kraft oder Unilever – soweit es eben geht.

Dennoch begrüße ich den Nestlé Marktplatz klar. Denn diese offene Kommunikation, wie ich sie gestern persönlich erlebt habe als auch wie sie sich nun online abzeichnet dürfte meiner Meinung nach mittelfristig auch dazu führen, dass Konzerne (nicht nur Nestlé) Kritik an Produkten und Produktionsmethoden ernster nehmen und damit schlussendlich in bessere Produkte münden. Auch wenn ich mir da keine großen Veränderungen erwarte – die kleinen sind allemal ein Schritt und damit begrüßenswert. Hier sehe ich Nestlé auf einem guten Weg und freue mich, wenn ich vielleicht in einigen Monaten die Gelegenheit bekomme, in einem weiteren persönlichen Gespräch zu hinterfragen, ob diese Vision von mir nur ein Wunschtraum war oder tatsächlich in der Praxis so eingetreten ist. Wie auch immer die Antwort lauten wird, meine persönliche Einstellung zu den Produkten wird sich dadurch nicht ändern.

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